Mögliche Anwendungsgebiete der Integrativen Atemtherapie
Dass und wie Integrative Atemtherapie wirkt, wissen wir als Atemtherapeut*innen aus eigener Erfahrung und erleben es immer wieder bei den meisten unserer Klient*innen. Was manchmal nicht so klar ist, sind die genauen Indikationen, sowohl aus therapeutischer Sicht als auch aus rechtlicher Sicht. Die nachfolgende Auflistung gilt als erste Annäherung an dieses Thema. Sie soll zum einen für jeden von uns mehr Klarheit bringen, als auch in ständiger Ergänzung – vor allem durch Eure Erfahrungen und Eure Kenntnisse – eine wichtige Grundlage für den internen Austausch und eine daraus resultierende Kommunikation nach außen bilden.
Entstanden sind diese Ausführung durch die Zusammenarbeit mehrerer Atemtherapeut*innen (mit HPPsych-Zusatz) und einer Psychiaterin, die selbst Integrative Atemtherapeutin ist und die Integrative Atemtherapie seit vielen Jahren in der Klinik anwendet.
Wir laden Euch alle herzlich ein, mit uns in Diskurs zu gehen und diese Liste mit uns immer wieder zu ergänzen, zu hinterfragen, zu aktualisieren, durch Fallbeispiele oder entsprechende Studien/Fachliteratur zu untermauern und mit dieser Grundlagenarbeit die Integrative Atemtherapie auf belegbare, öffentlich vertretbare und solide Füße zu stellen.
Wichtige Erläuterungen
F0 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Die Integrative Atemtherapie kann hierbei zur Unterstützung und Stabilisierung des psychischen oder körperlichen Allgemeinbefindens bei Demenzkranken eingesetzt werden. Wir empfehlen, sie weder psychotherapeutisch, noch aufdeckend einzusetzen.
Eine vorherige Absprache mit den behandelnden Ärzt*innen wird empfohlen.
F1 Psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
Da die Therapie von Suchterkrankungen sich mitunter sehr schwierig gestalten kann, empfehlen wir eine atemtherapeutische Begleitung nur nach Entzug, und nur begleitend zu anderen Therapien und Unterstützungsprogrammen in Kooperation und Absprache mit den jeweilig zuständigen Stellen.
Wenn sich Klient*in noch im Substanzgebrauch (Alkohol, Cannabis etc.) befindet, sollte sie oder er zumindest während der Sitzung frei von Substanzen sein.
Mitbehandelnde Atemtherapeut*innen sollten über ausreichendes Hintergrundwissen zu Entstehung, Verlauf und Therapie von Suchterkrankungen verfügen und die Klient*in über die zahlreichen Hilfsangebote und Anlaufstellen für Suchtkranke informieren bzw. an andere Stellen weiter verweisen können.
F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
Keine Anwendung von Integrativer Atemtherapie.
In Einzelfällen können auf Empfehlung der Behandler*innen (Psychiater*innen, Psychotherapeut*innen, Fachärzt*innen etc.) in enger Kooperation mit diesen stabilisierende atemtherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden.
Bei Interesse an einem internen Erfahrungsaustausch, Erörtern von Fallbeispiele oder ähnlichem: gerne bei uns melden.
F3 Affektive Störungen
Integrative Atemtherapie bei leichten depressiven Episoden: ja
Integrative Atemtherapie bei mittelgradigen Depressionen: als mögliche Ergänzung zu anderen Therapieverfahren in Abstimmung mit den jeweiligen Behandler*innen
Keine Integrative Atemtherapie bei Manie oder einer bipolaren Störung.
Im Falle einer drohenden Suizidalität des/der Klient*in während der Sitzung sollte ein Psychiater, eine Psychiatrie oder der sozialpsychiatrische Dienst angerufen werden. In ganz dringenden Fällen, bei direkt suizidaler Bedrohung in der Praxis oder im direkten Anschluss an die Therapiestunde, sollte die Feuerwehr samt Notarzt angerufen werden (112) – hierfür empfehlen wir Telefonnummern bereits im Vorfeld zur Hand zu haben.
Bezüglich der Medikation eines Klienten, einer Klientin sollten wir einen Überblick über die Wirkung von Medikamenten haben. Wir dürfen keine Empfehlungen zu Medikamenten geben und sollten Klient*innen empfehlen, bei allen Fragen rund um Einnahme, Absetzen oder Dosisänderungen in der Medikation Rücksprache mit den verordnenden Ärzt*innen oder ihrer/m Apotheker*in zu halten.
F4 Neurotische, Belastung- und somatoforme Störungen
Integrative Atemtherapie kann sehr gut bei Anpassungsstörung und akuten Belastungsreaktionen eingesetzt werden.
Bei Panikattacken empfehlen wir stabilisierend zu arbeiten, z. B. mit kohärentem Atmen. Je nach Schweregrad und Situation sollte die Integrative Atemtherapie nur in Kombination mit anderen Psychotherapien in Absprache mit den jeweiligen Behandler*innen eingesetzt werden.
Bei Zwangsstörungen und Phobien kann die Integrative Atemtherapie je nach Störung und Schweregrad unterstützend eingesetzt werden, z. B. in Kombination mit Verhaltenstherapie.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): ausschließlich Integrative Atemtherapeut*innen mit entsprechender Erfahrung und Qualifikation/Zusatzausbildung
Somatoforme Störungen: hier sollte vor Therapiebeginn eine ärztliche Abklärung der körperlichen Symptome erfolgen. Bei negativem Befund ist der Einsatz Integrativer Atemtherapie gut möglich. Bei positivem Befund sollten Klient*innen je nach Art des Befundes, vor Beginn einer Integrativen Atemtherapie Rücksprache mit den jeweiligen Behandler*innen halten.
Psychosomatische Störungen: hier liegt definitiv ein körperlicher Befund vor. Hauptanteil an der Therapie haben die jeweiligen Fachärzt*innen und speziell die Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Aufgrund der zugrundeliegenden innerpsychischen Konflikte mit den entsprechenden körperlichen Symptomen kann die Integrative Atemtherapie eine sinnvolle Therapieoption sein. Atemtherapeut*innen sollten über hinreichende Kenntnisse der psychosomatischen Krankheitsbilder verfügen. Zu den psychosomatischen Störungen zählen: Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa (Dickdarmentzündung), essenzielle Hypertonie (Bluthochdruck ohne organische Ursache), Hyperthereose (Schilddrüsenüberfunktion), Neurodermitis, Ulkus duodeni (Zwöffingerdramgeschwür) und Ulkus ventriculi (Magengeschwür), rheumatoide Arthritis.
F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
Essstörungen: Nur in der Indikation erfahrene Atemtherapeut*innen, und nur in Kombination mit ärztlicher Betreuung (Elektrolyte, EKG etc.) und anderen psychotherapeutischen Verfahren (systemisch, familientherapeutisch)
Bei Schlafstörungen kann Integrative Atemtherapie begleitend durchgeführt werden
Sexualstörungen: Integrative Atemtherapie begleitend zu anderen Therapieverfahren möglich; die Integrativen Atemtherapeut*innen sollten hinreichend Erfahrung bei dieser Indikation haben
F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
Persönlichkeitsstörungen (PS) sind Erkrankungen, bei denen die Beziehungen zu anderen und die Beziehung zu sich selbst gestört ist. Genau dort kann die Integrative Atemtherapie ansetzen.
Dem/Der Atemtherapeut*in sollten die jeweiligen Störungsbilder bekannt sein (ängstlich vermeidende PS, narzisstische PS, emotional instabile PS impulsiver Typ, Borderline PS, abhängige/asthenische PS, anankastische PS, histrionische PS).
Des Weiteren sollten die Atemtherapeut*innen innerlich stabil sein. Regelmäßige Supervision ist dringend erforderlich, vor allem in der Begleitung von Klienten mit schwerer PS.
Bei Borderline PS muss immer an zusätzliche Therapien (dialektisch-behaviorale Therapie) und weitere unterstützende Disziplinen unter Einbeziehung des familiären Umfelds gedacht werden, gerade auch in Bezug auf Berufsleben, Alltagsgestaltung etc.
Folgende Persönlichkeitsstörungen sollten nicht mit Atemtherapie behandelt werden:
- Dissoziale PS
- Paranoide PS
- Schizoide PS
- Schwere Borderline Störung
Wichtig: Bei Suizidalität und Selbstverletzungen benötigt es eine Fachärztin bzw. einen Facharzt.
Liegt Pädophilie oder Exhibitionismus vor, ist das ein Straftatbestand. Die Behandlung dieser Klient*innen gehört unbedingt in die Hände der dafür ausgebildeten Psychotherapeut*innen/ Psychiater*innen. Keine Behandlung durch Integrative Atemtherapeut*innen.
Störung der Geschlechtsidentität: Behandlung durch Schulmediziner*innen und Psychotherapeut*innen.
Bei Störungen der Geschlechtsidentität können wir uns, flankierend zu die zuständigen Behandler*innen, einen Einsatz der Integrativen Atemtherapie sehr gut vorstellen. Die Wahrnehmung eines Klienten, einer Klientin, im falschen Geschlecht zu sein, kann durch die bewusste Atmung zu mehr Akzeptanz führen. Gleichzeitig kann durch ein Therapieverfahren, das gleichermaßen Psyche und Physis anspricht, eine größere Klarheit und Ruhe für die eventuell anstehenden nächsten Schritte erfolgen. (Geschlechtsumwandlung – ja oder nein)
F7 Intelligenzminderung
Eine Intelligenzminderung kann mit Integrativer Atemtherapie nicht beeinflusst werden. Wenn Klienten mit einer leichten Intelligenzminderung z.B. noch leichte depressive Symptome haben, kann Atemtherapie erwogen werden.
F8 Entwicklungsstörung (des Sprechens/Sprache, schulischer Fertigkeiten, motorische Funktion, tiefgreifende Entwicklungsstörungen (Autismus, Asperger etc.)
Bei motorischer oder sprachlicher Verzögerung braucht es entsprechende Therapieverfahren, keine Integrative Atemtherapie.
Wenn es um emotionale Probleme geht, wäre Integrative Atemtherapie denkbar. Hier sollten Atemtherapeut*innen jedoch entsprechend geschult sein und über ausreichend Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verfügen.
F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Hier empfehlen wir den Einsatz von entsprechend ausgebildeten und geschulten Atemtherapeut*innen mit ausreichender Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen.
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